Dokumente, die ausserhalb eines Gerichtsverfahrens erstellt wurden (und sich in den Verfahrensakten im weiteren Sinn befinden), bleiben nach den Bestimmungen über das Öffentlichkeitsprinzip zugänglich. Auf Dokumente, deren Erstellung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens ausdrücklich angeordnet wurde, kommen diese Bestimmungen hingegen nicht zur Anwendung.
Im Kanton Neuenburg verlangte eine Person Auskunft über Angelegenheiten einer Schifffahrtsgesellschaft, welche von diversen Kantonen finanziell unterstützt wurde. Dem Gesuchsteller wurde der Zugang auf einen Revisionsbericht verweigert. Das Kantonsgericht war der Ansicht, dass sich die Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission des Kantons Neuenburg wegen laufenden Straf- und Zivilverfahren fälschlicherweise als zuständig erachtete. Das Bundesgericht sah dies anders:
Zwar lässt sich das Bundesgericht primär von der Botschaft zum Bundesgesetz (!) über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung leiten, worin der Grundsatz bestätigt wird, dass Sondergesetze Vorrang haben. Der Verlauf eines Straf- oder Zivilverfahrens soll durch das Öffentlichkeitsprinzip nicht beeinflusst werden. In den Straf- und Zivilverfahren gelten klare und eigene Verfahrensvorschriften, welche nicht durch das Öffentlichkeitsprinzip ausgehebelt werden dürfen.
Es ist aber zu unterscheiden, ob die nun verlangten Dokumente ausserhalb eines gerichtlichen Verfahrens erstellt wurden (bzw. nicht für das Gerichtsverfahren erstellt wurden) oder ob die Dokumente im Rahmen eines Gerichtsverfahrens ausdrücklich angeordnet wurden (beispielsweise ein Gerichtsgutachten oder der Schriftenwechsel einer Partei). Nur für diese letztgenannten "Gerichtsdokumente" gilt das Öffentlichkeitsprinzip nicht.
Der sich bei den Gerichtsakten befindliche Revisionsbericht ist somit offenzulegen, da dieser nicht im Gerichtsverfahren angefertigt wurde und die Veröffentlichung das Gerichtsverfahren nicht beeinflussen wird.
Das Urteil passt zum Grundsatz des Öffentlichkeitsprinzips und somit zur Transparenz der Verwaltung. Dieses Prinzip soll das Vertrauen des Bürgers in die staatlichen Institutionen fördern; es bildet zudem eine wesentliche Voraussetzung für eine sinnvolle demokratische Mitwirkung am politischen Entscheidfindungsprozess und steht für eine wirksame Kontrolle der staatlichen Behörden (vgl. BGE 133 II 209).
Das Urteil finden sie hier.
(Stand: 06.06.2022)