Der deutsche Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat sich zur Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel in einem Zivilprozess geäussert. Dabei wurde nebenbei auf die Zulässigkeit von Dascams eingegangen (Urteil Nr. 88/2018).
Im konkreten Fall ging es darum, dass sich zwei Fahrzeuge innerorts beim Linksabbiegen seitlich touchierten. Im entsprechenden Haftungsprozess sollte dann mit einer Dashcam bewiesen werden, welches Fahrzeug auf die falsche Fahrbahn geraten war.
Das höchste deutsche Gericht kam sinngemäss zum Ergebnis, dass die verwendete Videoaufzeichnung eine Datenschutzverletzung darstelle. Es meint, dass es nicht nötig sei, zur Beweissicherung permanente und anlasslose Aufzeichnen machen zu müssen. Beweise können, so der Bundesgerichtshof, auch mit anlassbezogenen Aufzeichnungen erreicht werden. Dementsprechend ging das deutsche Gericht davon aus, dass es dazu genügen würde, wenn mit technischen Mitteln dafür gesorgt werde, dass keine Daueraufzeichnungen stattfinden, sondern dass nur gerade das Unfallgeschehen aufgenommen werde. Die Aufnahmen sollten deshalb erst bei einer Kollision oder bei starker Verzögerung des Fahrzeuges stattfinden.
Diese Ansicht verkennt, dass die massgeblichen Aufnahmen allenfalls nicht erst ab der Kollision wichtig sind, sondern dass in Haftungsprozessen oft auch einige Sequenzen vor einem Unfall beweisen werden sollten. Zudem hat ein Unfall - beispielsweise bei einer Kolission mit einem Fahrrad - nicht zwangsläufig eine Erschütterung des beteiligten Autos oder Lastwagens zur Folge, weshalb entsprechende Sensoren gar nicht ansprechen würden. Die Technik ist noch nicht so weit, wie dies das Gericht annimmt (Stichwort: Artificial Intelligence). Es sollte somit heute durchaus genügen, wenn die Aufnahmen kontinuierlich und automatisch überschrieben werden, denn nur mit einer zeitgerechten Aufnahme kann die Interessenabwägung zwischen
- dem Interesse an der Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen (inkl. rechtliches Gehör) und dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege sowie
- dem Interesse des Allgemeinheit am Schutz der eigenen Persönlichkeit
sinnvoll durchgeführt werden. Mit Aufnahmen, die gar keinen brauchbaren Beweis bringen können, kann kein zivilrechtlicher Anspruch gesichert werden. Ebenso wird damit auch kein Beitrag an eine funktionierende Zivilrechtspflege gewährleistet.
Das Urteil aus Deutschland ändert somit an der heutigen Praxis im Kanton Thurgau nichts (erlaubter Einsatz von intelligenten Dascams, verbunden mit einer automatischen und periodischen Löschung, wobei der Zweck der Aufnahmen nur in der Sicherung der Beweise liegen darf).
Das Urteil finden Sie hier.
(Stand: 16.05.2018)